vom töpfern, handarbeiten, kochen und meinen ausflügen erzähle ich hier. ich lebe in tirol, geboren und aufgewachsen bin ich in der wachau.
Mittwoch, 28. Mai 2014
Sonntag, 11. Mai 2014
Montag, 5. Mai 2014
internationaler hebammentag
internationaler hebammentag
ist heute und ich habe die großartige arbeit, die eine hebamme vor, während und nach der geburt eines kindes leistet, vor allem bei der geburt meiner enkelin anna schätzen gelernt.
meine tochter hat einen geburtsbericht geschrieben und ich darf diesen hier veröffentlichen.
liebe "Ni", dir und allen deinen kolleginnen von herzen danke für euren einsatz und hingabe zu diesem beruf!
Mein liebes Üby!
Als ich mit deinem Bruder schwanger war, hatte ich beschlossen, dass, sollte es jemals zu einem
dritten Kind kommen, ich keine PND mehr in Anspruch nehmen würde. Und wie es das Leben so will,
hast du dich tatsächlich ganz überraschend im heißen August bei uns angekündigt. Ganz zart war das
Stricherl am Test, ganz unscheinbar und doch so vielsagend. Ich vereinbarte einen Termin bei der
Frauenärztin, denn ganz ohne Ultraschall, ganz ohne pochendes Herz hätte ich es nicht geglaubt, dass
es mir tatsächlich vergönnt sein würde, ein drittes Kind zu bekommen. Da sah ich dich und ich
wusste, was ich vorhatte, konnte nur richtig sein.
Ich verzichtete auf alles… Naja, fast. Das Kinderbetreuungsgeld wollte ich mir nicht kürzen lassen.
Und so hatte ich 39 Wochen und 5 Tage lang keine Ahnung.
„Na? Ist das Kind gesund?“ – „Keine Ahnung.“
„Wird’s ein Bub oder ein Mädel?“ - „Keine Ahnung.“
„Werdens Zwillinge?“ – „Keine Ahnung… Aso, nein, doch, da hab ich Ahnung!“
Natürlich wusste ich, dass du „gesund“ bist. Ich wusste es. Ich spürte es. Und von Anfang an wusste
ich, du würdest ein Junge werden…
Am Abend des 4. April war ein rosaroter Punkt in weißem Schleim gehüllt auf dem Klopapier
gelandet. Ich freute mich und sagte Papa, dass wir am Montag die Hebamme anrufen werden, um sie
in Rufbereitschaft zu versetzen.
Am 5. April stehe ich morgens auf, taumle aufs Klo, wische mich ab und staune, dass aus dem
rosaroten Punkt ein rosaroter Faden geworden war. Zeit um darüber zu sinnieren habe ich nicht.
Dein Bruder hat Geburtstag. 2 Jahre wird er. Während ich mit deinem großen Bruder, F., die Glasur
für den Geburtstagskuchen zubereite (er wollte ein Rot haben, aber es wurde dann leider rosa –
hätte das ein Hinweis sein sollen?), erinnere ich mich also an den Tag vor zwei Jahren, als D. geboren
wurde. Unkompliziert und schmerzlos war es für mich. D. allerdings dürfte ziemlich meine Knochen
geküsst haben, denn er trug nicht nur ein Kephalhämatom, sondern auch einen Schlüsselbeinbruch
davon. Die Geburt war aber auch so nicht ideal für mich und ich hatte lange gebraucht, um über die
Umstände hinweg zu kommen.
Eine Wehe reißt mich aus der Erinnerung. „Nanana, liebes Üby, heute nicht. Heute hat dein Bruder
Geburtstag. Morgen kannst du kommen.“ Zur Sicherheit schaue ich aufs Klo. Ich stellte erstaunt fest,
dass sich das Rosarot in Rostrot verwandelt hat.
„guten morgen. bin am zeichnen. heute kommt sicherlich kein kind (d. hat geburtstag). aber bitte ab
heute in rufbereitschaft gehen. danke, schönen tag noch, lg“, schreibe ich meiner Hebamme per SMS.
Um 11:00 Uhr kommt der erste Geburtstagsgast. Die Wehen plätschern so dahin. Mal kommt eine,
dann wieder Stunden lang keine. Ich merke aber, dass ich unrund werde. Vor allem, da man mich
ständig fragt, ob heute noch ein Kind kommt. „NEIN!“, bestimme ich immer und immer wieder. Und
jetzt hört auf zu fragen. Es wird Nachmittag. Wir gehen spazieren. Mit den Kindern auf den Spielplatz.
Ich häng etwas rum und denke an gar nichts. Das ist sehr schön und ich könnte ewig so sitzen
bleiben. Es fängt aber an zu regnen und unsere Truppe packt sich zusammen für den Nachhauseweg.
Um 18:00 Uhr sind dann nur noch Oma und Opa, deine Godi und Papa übrig. Wir sitzen zusammen,
spielen mit den Buben und ich… ich schnaufe Wehe um Wehe weg. Oma erklärt mir gerade, dass sie
das Handy zwar lautlos hat, aber auf vibrieren stellen wird und dass sie einen Anruf sicher hört. Okay,
danke Mama. Sind trotzdem nur Übungswehen. Um 19:00 Uhr sind auch diese Gäste dann
aufbruchbereit und die Kinder gehen schlafen. Ich sehe Papa an, dass er sehr müde ist. Also bitte ich
ihn nur noch, mir den Pezzi-Ball aufzublasen, dann könne er sich niederlegen. „Um diese Uhrzeit?“,
äußert er seine Bedenken bezüglich der Lautstärke des Kompressors. Ja mein Schatz, deine Frau hat
gesprochen.
Er ist eine viertel Stunde weg. Diese Zeit verbringe ich zur Hälfte wehend vorm Geschirrspüler. Der
will noch ausgeräumt werden. Die andere Hälfte versuche ich mich am Klo. Kommt nix außer
Zeichnungsblutung.
Eine Dusche! Tut mir sehr gut. Die Wehen gehen allerdings nicht weg. Am Pezzi-Ball ist es für mich
ganz gemütlich. Ich spiele ein wenig mit dem Handy rum, lade mir eine Wehen-App herunter. Was
sein muss, muss sein. Ich kreisle im Spielzimmer der Jungs herum. Es ist still. Ich genieße die Ruhe.
Um 20:00 Uhr ruft schließlich Ni, die Hebamme, an. Sie will wissen, wie es mir geht und ob sie mit
ihrer Tochter wach bleiben kann oder sie sich besser ins Bett legen soll. Ich bin im Zwiespalt. Bei D.
hatte ich drei Fehlalarme, ging weit über Termin. Ich kann nicht glauben, dass die Geburt tatsächlich
gestartet haben soll. Daher hätte ich ihr gerne den Abend mit ihrer Tochter gegönnt. Andererseits
hatte ich den Eindruck, dass eine ausgeschlafene Hebamme nicht zu meinem Schaden sein könnte. Ni
telefoniert extra lang mit mir. Sie will hören, wie sich die Wehen für mich anfühlen. Aber am Telefon
kann ich nicht so tönen. Das merkt auch Ni und wir beenden ohne spezielle Absprache das Telefonat.
Nun bin ich wieder mit mir alleine. Der Ball ist nix mehr für mich. Ich gehe runter ins Wohnzimmer
und spaziere etwas auf und ab, surfe kurz im Internet. Die Wehen-App bringt es nicht. Ständig
signalisiert sie mir, dass die Geburt begonnen hat. Aber – das kann unmöglich sein! Ich bin weder
über Termin, noch sind die Wehen stark, noch fühle ich mich, als würde ich heute ein Kind gebären.
Immer wieder hänge ich mich an dem Gedanken auf, dass ich bei D. drei Fehlalarme hatte und mit dir
ja noch nicht mal den erratenen Geburtstermin überschritten habe…
Ich brauche etwas Berieselung und schalte mir den TV ein. Wetten, dass… Tja, wetten, dass heute
kein Baby kommt und das wieder nur ein Fehlalarm ist? Wetten, dass ich bald einschlafen werde, um
ohne Wehen und ohne Kind wieder aufzuwachen?
Im Liegen sind die Wehen grauslich. Bei jeder Wehe springe ich also auf in den Vierfüßler. Eine
Stunde plätschert das Geschehen wieder vor sich hin. Um 22:00 Uhr schreibt mir Ni, dass sie gerne
bei mir schläft, wenn ich mich dadurch sicherer fühle. Bei mir schlafen? Ich rufe sie zurück und sage
ihr, dass ich mich sicher genug fühle, ich aber enorm genervt bin von diesen Übungswehen. Ni
empfiehlt mir einen Schluck Likör – damit ich abschalten kann und zur Ruhe komme, um eventuell
sogar in den Schlaf zu finden. Ich bin skeptisch, weil ich Alkohol in der Schwangerschaft nicht
anrühre. Schließlich aber siegen die Müdigkeit und die Entnervtheit. Ich schalte den TV ab und gehe
in den Keller. Likör muss ich nämlich erst suchen. Hab ja keine Ahnung, ob überhaupt welcher da ist.
Gerade will ich das Licht zum Vorratsraum aufschalten, als eine Birne fliegt und mit ihr die Sicherung.
Ich brummle ein paar Schimpfwörter vor mir her, drehe um und gehe hoch.
Jetzt will ich nur noch ins Bett.
Immer noch sind die Wehen im Liegen grausam. Aber, wie gesagt, ich bin nur noch genervt und hieve
mich somit auch nicht mehr hoch zum Veratmen. Ich krümme mich im Bett und bemitleide mich
selbst.
Es ist 23:00 Uhr als ich nicht mehr mag und ins Bad gehe. Vielleicht hilft es ja, wenn ich mich in
warmem Wasser suhle. Also lasse ich mir eine Wanne voll ein. Ich will hineinsteigen und merke aber,
wie sich die Wehen nun verändern. Sie werden intensiver. Ich überlege nicht lange und wecke Papa.
„Schatzi, ich will dich bei mir haben. Bitte komm.“
Schatzi springt natürlich auch sofort auf und während ich mich in die Wanne begebe, realisiert er
erstmals auf dem Klodeckel, wo er sich befindet. Ich denke noch: „Toll, ich hab einen Zombie als
Geburtshelfer“, als er etwas aktiver wird. Er beginnt, die Wehen mitzustoppen, ganz ohne Wehen-
App. Er sieht mich dabei prüfend an und ich lasse es gern mit mir geschehen. Soll er mir sagen, ob es
ein Fehleralarm ist oder nicht.
Nach einer viertel Stunde reicht er mir das Handtuch und das Handy. „Ruf die Hebamme an“, sagt er
in bitterernstem Ton. Aber immer noch scheue ich mich davor. Ich will sie einfach nicht umsonst hier
her bestellen. Also bitte ich um Aufschub. Ich erzähle ihm stattdessen dass die Sicherung im Keller
geflogen ist, weil ich Alkohol trinken wollte. Da wird er stutzig und lacht, dass ja dann bald die
Gefriertruhe abgetaut ist.
Ich Schaf! An so was denke ich natürlich wieder nicht.
Papa-Held aber schon und deshalb rettet er unsere Vorräte, indem er einfach den Sicherungsschalter
wieder umlegt. In der Zwischenzeit erinnere ich mich wieder daran, dass ich um Anruf-Aufschub
gebeten habe.
Und dann ist es mir plötzlich klar.
Um 23:30 Uhr weiß ich, dass du auf die Welt kommen würdest.
Also rufe ich Ni an. Sie hebt nach dem zweiten Klingeln ab und klingt recht munter. War sie nicht, sie
hatte tief und fest geschlafen. Macht aber nix, sie kommt natürlich gerne, vor allem, nachdem sie
hört, wie ich schon mit den Wehen umgehe. Denn dass ich ins Telefon töne lässt sich nun nicht mehr
vermeiden. Papa massiert mir das Kreuzbein.
Bis D. wach wird…
Papa flitzt zu ihm ins Schlafzimmer. Aber hey, das geht doch gar nicht! Er muss mich doch weiter
massieren. Also rufe ich Oma an. Puh, die ist aber schnell. Um 23:50 Uhr steht sie bereits bei mir im
Bad und übernimmt die Aufgabe von Papa. Sie massiert mir das Kreuzbein, hält mir die Hand und
streicht mir über die Stirn. Sie bringt mir etwas zu trinken und sieht mich immer wieder prüfend an.
Aber in ihrem Blick liegt nicht das, wovor sie am meisten Angst hatte – nämlich dass sie es nicht
ertragen konnte, ihre Tochter leiden zu sehen. Ihr Blick sagt mir, dass sie weiß, dass es so richtig ist.
Dass es so gut ist.
Wir verbringen einige Zeit zusammen. Bis ich wieder lieber Papa bei mir habe. Also bitte ich Oma,
dass sie nun zu D. schauen möchte. Papa ist Wahnsinn. Er trifft immer die richtige Stelle mit dem
richtigen Druck. Mit ihm sind die Wehen nicht mehr sooo schlimm. Ich wusle in der Badewanne
herum. In den Wehenpausen lege ich mich ins Wasser. Ansonsten bin ich aufrecht, hocke, knie.
Um 00:15 Uhr sind die Wehen sehr, sehr stark. So stark, dass ich schon ziemlich laut bin. Oma ist mit
D. im Spielzimmer, also nur eine Tür weiter. Aber D. interessiert sich nicht für mich. Er findet es toll,
dass Oma mit ihm spielt.
Ich finde es auch toll, obwohl ich von all dem nur am Rande etwas mitbekomme. Gerade, als ich mir
Ni herbeiwünsche, höre ich ein Klock. Ein Koffer wird auf der Stiege abgestellt und ich weiß, dass es
der Koffer meiner Hebamme ist. Trotzdem frage ich mit zitternder Stimme nach: „Ist es Ni?“ Es ist
0:20 Uhr. Da kommt sie auch schon ins Bad herein, strahlt und lacht und begrüßt mich mit ihrer
fröhlichen Art. Ich bin in diesem Moment sehr erleichtert, sie zu sehen, denn nun habe ich ein
zusätzliches Gefühl der Geborgenheit. Nicht Sicherheit, denn sicher fühle ich mich in jedem Moment.
Aber meine Ni bringt eben dieses Mütterliche mit, dieses Erfahrene, das jede Gebärende früher oder
später braucht.
„Bitte untersuch mich“, flehe ich. Denn ich will jetzt wissen, was Sache ist. Ni will erst abwimmeln, sie
braucht die Untersuchung nicht. Als ich aber erneut darauf bestehe, zieht sie sich den Handschuh
über. „Aber wenn es unter 5 cm sind, sag es mir nicht“, stelle ich die nächste Forderung. Ni lacht. Ich
gehe in die Hocke und sie tastet ganz sanft. Ich spüre, wie sie etwas am Muttermund zupft. Sie
kommentiert, dass sie ihm tatsächlich den richtigen Weg weisen muss. Mir egal, tut ja nicht weh.
Dann kommt eine Wehe und das Wegweisen tut doch weh. Ich will sie vertreiben, aber Ni bleibt
dran. Als die Wehe fertig ist, ist sie auch zufrieden, zieht sich den Handschuh aus und geht über, sich
über ihre Massageöle herzumachen. Ich muss nachfragen, wie weit ich bin und erfahre: 6 cm.
Wir haben also schon über die Hälfte geschafft. High Five, kleines Üby!
Ni massiert mir nun ihr Lavendelöl aufs Kreuz. Hatte ich schon Papa gelobt – Nis Hingabe tut noch
einmal besser. Sie hat Zauberhände. Wundervolle Zauberhände. Leider können auch sie nichts gegen
die Urgewalt der Wehen tun.
Jetzt wird es heftig. Ich halte die Wehen nur noch im Stehen aus. Die Badewanne will ich aber aus
praktischen Gründen nicht verlassen. Denn immer noch ist die Fruchtblase intakt und ich rechne
damit, dass sie in den nächsten Wehen platzen wird, weshalb es mir lieber ist, sie tut dies über einem
Abfluss.
Ich stehe also in der Wanne und beuge mich bei jeder Wehe über den Rand, werfe mich meiner
wunderbaren Hebamme in die Arme. Ich hänge mich richtig an sie. Sie bietet mir Halt und während
sich mein Muttermund kräftig öffnet, massiert sie mir weiter das Kreuz. Aus dem Tönen wird ein
Röhren. Aus dem „Uuuuh“ wird ein „Aaaaah“ und schließlich ein „Auaaaaa“. Ni ist wunderbar. Sie
ermutigt mich. Sie lobt mich.
„Super machst du das! Lass es ruhig raus dein Kind. Hab keine Angst. Lass es los, lass es raus.“
Die Pausen sind nur noch sehr kurz. Deshalb bleibe ich einfach stehen. Ich schließe dann die Augen
und stehe nackt in der Wanne. Wenn ich heute daran denke, muss das sicherlich kein alltäglicher
Anblick gewesen sein.
Warme Flüssigkeit läuft mir über die Beine. Ni übergibt mich an Papa, weil sie den Zeitpunkt des
Platzens der Fruchtblase notieren will. Ich hänge mich an Papa, aber seiner Brust fehlt ein
entscheidender Teil, weshalb es mit ihm lang nicht so angenehm ist. „Es war nicht die Fruchtblase“,
sage ich also gereizter, als ich eigentlich wollte. Ich spüre nämlich genau, dass es Urin ist, das sich da
ergießt. Also legt Ni ihr Schreibzeug nieder und kommt zu mir zurück. Ein Glück!
Es wird nämlich ernster. Dein Kopf drückt im Stehen so sehr auf der Muttermund, dass dem einfach
nichts anderes übrig bleibt, als sich im rasenden Tempo zu öffnen. Und das wiederum bereitet mir
heftigste Schmerzen. Ich schreie. Und ich fluche. Die Wehenpausen sind quasi nicht mehr vorhanden.
Plötzlich spüre ich, wie nun wirklich die Fruchtblase platzt. Für kurze Zeit wird der Druck weniger, nur
um dann tausendfach zurückzukommen. So ist zumindest mein Eindruck.
Als wenn ich eine Kaugummiblase im Mund platzen würde, fühlt sich der eine, erleichternde Moment
an. Es ist 0:53 Uhr.
Zwei Wehen kommen im Stehen. Dann gebe ich „mein“ Zeichen. „Ich mag nicht mehr. Bitte, bitte,
mach dass es aufhört. Bitte, bitte, bitte!“, flehe ich. Außerdem bettle ich darum, morgen weiter
machen zu können. Oder wenn das nicht geht, dann wenigstens eine PDA zu bekommen. Zum
Schluss will ich nochmal eine Verschiebung der Geburt um ein paar Stunden raushandeln. Aber nix
da, es ist so weit.
Der Instinkt hat mich jetzt komplett in der Hand.
Ich wusle in der Badewanne herum, denn im Stehen fühle ich mich nicht mehr wohl. Erst knie ich
mich hin und ertrage so eine Wehe. Aber dann fühlt sich diese Position völlig falsch an. Ich schnell in
die Höhe. Wie bei einem Katapult befördern mich meine Beine hoch. Ich drehe mich um 180°, schaue
nun zur weißen Badezimmerwand (der Rücken zeigt zum Stöpsel). Dann gehe ich wieder nieder. In
diesem Moment überkommt sie mich, die Wehe. Ich merke, ich habe nun keine Zeit mehr, eine
„richtige“ Position zu finden. Ich spüre, dass es nur wichtig ist, so nah wie möglich mein Becken zum
Boden zu bringen. Also gehe ich erst in Richtung Hocke, überlege es mir aber in der letzten Sekunde
anders und lasse meinen Oberkörper nach hinten fallen…
Es hätte gefährlich sein können. Ich hätte mir weh tun können.
Aber kaum, dass ich nach hinten kippe, spüre ich Papas Arme, die unter meine Achseln fahren. Er hat
mich einfach aufgefangen. Ich kralle meine Hände in die seinen und weil die Wehe schon da ist,
strecke ich mein Becken in die Höhe. Ich spüre den Pressdrang und gebe ihm nach. Und wirklich: Da
spüre ich auch schon deinen Kopf der durch den Geburtskanal rauscht. Während der Wehe senke ich
mein Becken. Ich will dich ja nicht in die Luft schießen, sondern ins Wasser gleiten lassen. Wobei das
mit dem „gleiten lassen“ eigentlich viel zu weich ist für die Intensität des Pressens.
Am liebsten wäre mir nämlich ich könnte dich wirklich rausschießen. Deshalb tu ich das auch einfach.
Bis… Mir Ni ihre Hand in die Scheide schiebt und deinen Kopf somit zurück.
Ich verfluche sie, denn was das soll, kann ich nicht verstehen. „Damm!“, erinnerte mich Ni nur kurz.
Damm? Welchen Damm? Ich mag keinen Damm haben, sondern mein Baby. Aber vor allem mag ich
keine Wehen mehr haben. Also presse ich weiter. Ich kann gar nicht anders. Die Wehe ist zwar längst
vorbei, aber der Pressdrang lässt sich einfach nicht kontrollieren, zügeln oder gar veratmen. Es geht
nicht. Mein Körper will dich JETZT gebären. Also kämpft er gegen die Hebammenhand an, drückte
dich ihr entgegen und zum Glück folgt nun die letzte, entscheidende Wehe. Ni zieht ihre Hand zurück
und mit einem einzigen, urgewaltigen Schrei schiebe ich dich ins Wasser. Dein Kopf hat mir den
Damm zerfetzt. Das habe sogar ich gehört. Aber ich höre nicht auf zu drücken, gebe dir eine
hundertstel Sekunde, dich zu drehen und richtig einzustellen, ehe ich deine Schultern
hinausbefördere. Und dann flutscht du ins Badewasser.
Es ist Sonntag, der 6. April 2014, 0:59 Uhr.
Ich habe deinen Körper als weißgraue Masse in Erinnerung. Ich sehe, wie Nis Hand dich sofort in
Empfang nimmt. Ihre zweite Hand befreit dich von der Nabelschnur, die ein Mal um den Hals
gewickelt war.
Ich schnaufe durch und sinke erstmal erschöpft in Papas Arme zurück. Ich höre ihn begeistert rufen:
„A Bua!“ Hurra! Ich bin sehr froh und feiere mich selbst, denn endlich hat mich mein Gefühl nicht
getäus… „Ah na, a Madl“, verbessert er sich etwas kleinlaut und schon spüre ich deinen winzigen
Körper auf mir. Ni hat dich mir sachte in die Arme gelegt und nun wage auch ich einen Blick.
Tatsächlich.
Ein Mäderl!
Ich bin überwältigt. Ein kleines, fertig gebackenes Mädchen liegt in meinen Armen. „Anna“,
schluchze ich und küsse dich auf die Stirn. Ich drücke dich an mich, während Ni dir ein Handtuch
drüber legt. „Sie ist so winzig“, stelle ich flüsternd fest.
„Nein, nein, sie ist groß, wirst sehen“, behauptet meine Hebamme. Aber ich beharre drauf: „So
winzig!“
Du bist wirklich winzig. Immerhin habe ich nur den Vergleich zu seinen großen Brüdern. Und nun
halte ich so ein frischgeborenes, wunderhübsches Mädchen in den Armen. Nach deinem ersten
Schrei öffnest du die Augen und schaust mich an. Du bist so umwerfend. Wieder küsse ich dich.
Dann fällt mir etwas ein. „Sie ist daaa!“, schreie ich. Aber das hat Oma natürlich schon gehört und
sich bereits mit D. ins Bad geschlichen. Der schaut erstmal nur. Wir beschließen, F. nun auch zu
wecken. Er braucht zwei Anläufe, bis er so weit ist, dich zu bestaunen. Und dann stehen sie alle um
uns beide herum: Ni, Oma, D., F. und Papa. Niemand sagt ein Wort, außer mir, denn ich kann nicht
aufhören, ständig zu wiederholen, dass wir nun ein Mädchen haben.
Wir hören dir beim Quaken zu, sehen dich an. Keine Käseschmiere hast du mehr. Deine Nägel sind
hart und lang. Im Gegensatz zu deinen Brüdern interessieren dich meine Brüste nicht. Auch du hast
etwas zu sagen, denn rausgeschossen zu werden ist ja nicht gerade ein Vergnügen.
So vergehen die ersten Minuten deines Lebens in stiller Ehrfurcht (und Blitzlicht, denn deine Oma
hatte von mir zusätzlich die Aufgabe bekommen, sofort Fotos zu machen). Ich bin noch völlig
gefangen genommen darin, mich zu wundern, dass du keinen Penis hast, dass ich es erst gar nicht
registrierte, als mir Oma das Handy ans Ohr hält. Erst als ich die verschlafene Stimme deiner Godi
hörte, wird mir bewusst, welche Aufgabe mir zu Teil wird. Aber du kommst mir zuvor und hast dich
durch dein Schreien selbst angekündigt. Ich brauche Godi dann nur noch zu sagen, dass du wirklich
und tatsächlich ein Mädel bist.
Deine Nabelschnur ist recht schnell auspulsiert. Ich höchstpersönlich darf sie durchschneiden und
brauche dazu einige Versuche. Schließlich aber habe ich dich von mir getrennt. Ni packt dich in
frische Handtücher und gibt dich Papa und deinen Brüdern mit. Sie sollen ins Bett vorgehen, denn sie
und ich müssen uns ja noch um die Plazenta kümmern.
Ich atme durch und versuche immer noch, zu fassen, was gerade passiert war. Aber es gelingt mir
nicht. Du kleines Üby du, du Überraschungsbaby. Ich hätte nicht damit gerechnet, dich empfangen zu
dürfen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass du vor dem ominösen Termin kommst. Und schon gar
nicht hätte ich damit gerechnet, dass du ein Mädchen wirst. Bis all dies endlich auch in meinem
Gefühl durchgekommen war, dauerte es übrigens drei Tage. Erst, als die Milch kam, wurde es mir im
Inneren bewusst.
Es dauert, bis die Plazenta endlich kommt. Nachdem dieser letzte Teil der Geburt geschafft ist,
wasche ich mich mit Nis Hilfe grob ab. Dann packt sie mich sorgfältig in riesige Wochenbettvorlagen
und sexy Netzhoserl und entlässt mich zu euch vieren ins Bett. Ich nehme dich an mich und zum
ersten Mal in deinem Leben nuckelst du an meiner Brust. Ich streichle und küsse dich und stelle dich
noch einmal deinen Brüdern vor. Währenddessen überprüft Ni die Vollständigkeit der Plazenta. Alles
ok. Sie schneidet ein kleines Stückchen runter und gibt es in ein Glas Wasser. Denn ich will ja
unbedingt selbst die Wirkung der Plazenta erproben. Dann räumt sie auf, putzt die Badewanne. Oma,
die uns diesen Moment alleine vergönnt, leistet ihr Gesellschaft.
„Sie ist so wunderschön“, flüstere ich immer wieder. Dein Papa kann mir nur jedes Mal beipflichten.
Nach diesen ersten Minuten des Kuschelns, gibt es eine Runde Sekt für alle. Wir stoßen an, auf diese
gelungene Geburt, deine glückliche Zukunft, auf uns alle. Wir lassen uns hochleben. Ja, ich gebe es
zu, ich habe mein halbes (!) Glas ziemlich gierig auf einen Zug geleert.
Du hast dich nun fürs Erste gestärkt und lässt meine Brustwarze los. Ni nützt die Chance, um dich zu
vermessen. Deine Brüder schauen dabei interessiert zu. Gemeinsam kommen wir also auf deine
Maße.
Kopfumfang: 34,5 cm
Länge: 52 cm
Gewicht: 3100 g
Damit sind wir alle sehr zufrieden. Dein Nabelschnurrest bekommt noch ein hübsches Bändchen und
du eine Windel. Dann darfst du wieder zu mir. Ich nehme dich in meine Arme und schon sucht dein
Mund wieder meine Brustwarze.
Es wird Zeit, zu überprüfen, was da wirklich los ist mit meinem Damm. Ein Riss 2. Grades, meint die
Hebamme. Allerdings ist nur die Haut gerissen, nicht der Muskel. Ob ich ihn nähen lassen will? Auf
gar keinen Fall will ich das! Morgen vielleicht. Aber Ni sagt, dass sie „morgen“ ganz sicher nichts
mehr näht. Also beschließe ich, dass ich auch morgen nicht genäht werden will. Und das war eine der
besten Entscheidungen diese Geburt betreffend, denn eine Naht hätte mir weh getan – dieser Riss
aber verheilte völlig schmerz- und komplikationslos.
Ich bin müde und erschöpft und wünsche mir eigentlich nun meine Ruhe. Ni geht aber nur ungerne,
da sie einfach gerne zwei Stunden abwartet, ehe sie wieder nach einer Geburt davonrauscht und die
junge Familie sich selbst überlässt. Aber sie zieht sich zurück. Dies ist auch für die Buben besser, die,
ganz aufgekratzt, natürlich nicht so schnell zurück in den Schlaf finden. Und da es auch mir noch nicht
gelingen mag, setze ich die „Sie ist da“-SMS auf und verschicke sie an die ersten Kontakte.
Schließlich verabschieden sich Oma und Ni. Und unsere erste Nacht zu fünft beginne ich mit einem
letzten Blick auf dein zerknautschtes Gesicht.
Du und ich waren ziemlich lange nackt. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, dich in Gewand zu
hüllen. Wir verbrachten die Tage ohnehin nur im Bett. So durftest du die ersten 40 Stunden deines
Lebens intensiv mit mir bonden, ohne störende Kleidung.
Wann immer Ni kam, spendete sie mir wohltuende Massagen. Sie hatte ein offenes Ohr für mich,
meinen und Papas Wochenbettblues (ja! Ihn hat es auch getroffen ;)) nahm sie sich tröstend an. Sie
zeigte sich recht mitleidig, als mir meine Brustwarze quasi davonlief und war während meiner
Brustentzündung sogar bereit gewesen, mitten in der Nacht zu mir zu kommen, um mir die Brust
abzupumpen. Sie ist ein Engel und mit Leib und Seele Hebamme. Oma ist von ihr sehr begeistert und
hat nicht nur einmal gesagt, dass sie Ni gerne weiter begleiten würde, denn Kinder sollten „nur so auf
die Welt kommen“.
Meine liebe Anna. Du wirst bald vier Wochen alt. Du hast mich überrumpelt, in jeder Hinsicht. Aber
nie hätte ich es anders haben wollen. Danke für deine Entscheidung, an einem Sonntag, am 6. April
geboren zu werden. Es war perfekt in jeder Hinsicht.
ist heute und ich habe die großartige arbeit, die eine hebamme vor, während und nach der geburt eines kindes leistet, vor allem bei der geburt meiner enkelin anna schätzen gelernt.
meine tochter hat einen geburtsbericht geschrieben und ich darf diesen hier veröffentlichen.
liebe "Ni", dir und allen deinen kolleginnen von herzen danke für euren einsatz und hingabe zu diesem beruf!
Mein liebes Üby!
Als ich mit deinem Bruder schwanger war, hatte ich beschlossen, dass, sollte es jemals zu einem
dritten Kind kommen, ich keine PND mehr in Anspruch nehmen würde. Und wie es das Leben so will,
hast du dich tatsächlich ganz überraschend im heißen August bei uns angekündigt. Ganz zart war das
Stricherl am Test, ganz unscheinbar und doch so vielsagend. Ich vereinbarte einen Termin bei der
Frauenärztin, denn ganz ohne Ultraschall, ganz ohne pochendes Herz hätte ich es nicht geglaubt, dass
es mir tatsächlich vergönnt sein würde, ein drittes Kind zu bekommen. Da sah ich dich und ich
wusste, was ich vorhatte, konnte nur richtig sein.
Ich verzichtete auf alles… Naja, fast. Das Kinderbetreuungsgeld wollte ich mir nicht kürzen lassen.
Und so hatte ich 39 Wochen und 5 Tage lang keine Ahnung.
„Na? Ist das Kind gesund?“ – „Keine Ahnung.“
„Wird’s ein Bub oder ein Mädel?“ - „Keine Ahnung.“
„Werdens Zwillinge?“ – „Keine Ahnung… Aso, nein, doch, da hab ich Ahnung!“
Natürlich wusste ich, dass du „gesund“ bist. Ich wusste es. Ich spürte es. Und von Anfang an wusste
ich, du würdest ein Junge werden…
Am Abend des 4. April war ein rosaroter Punkt in weißem Schleim gehüllt auf dem Klopapier
gelandet. Ich freute mich und sagte Papa, dass wir am Montag die Hebamme anrufen werden, um sie
in Rufbereitschaft zu versetzen.
Am 5. April stehe ich morgens auf, taumle aufs Klo, wische mich ab und staune, dass aus dem
rosaroten Punkt ein rosaroter Faden geworden war. Zeit um darüber zu sinnieren habe ich nicht.
Dein Bruder hat Geburtstag. 2 Jahre wird er. Während ich mit deinem großen Bruder, F., die Glasur
für den Geburtstagskuchen zubereite (er wollte ein Rot haben, aber es wurde dann leider rosa –
hätte das ein Hinweis sein sollen?), erinnere ich mich also an den Tag vor zwei Jahren, als D. geboren
wurde. Unkompliziert und schmerzlos war es für mich. D. allerdings dürfte ziemlich meine Knochen
geküsst haben, denn er trug nicht nur ein Kephalhämatom, sondern auch einen Schlüsselbeinbruch
davon. Die Geburt war aber auch so nicht ideal für mich und ich hatte lange gebraucht, um über die
Umstände hinweg zu kommen.
Eine Wehe reißt mich aus der Erinnerung. „Nanana, liebes Üby, heute nicht. Heute hat dein Bruder
Geburtstag. Morgen kannst du kommen.“ Zur Sicherheit schaue ich aufs Klo. Ich stellte erstaunt fest,
dass sich das Rosarot in Rostrot verwandelt hat.
„guten morgen. bin am zeichnen. heute kommt sicherlich kein kind (d. hat geburtstag). aber bitte ab
heute in rufbereitschaft gehen. danke, schönen tag noch, lg“, schreibe ich meiner Hebamme per SMS.
Um 11:00 Uhr kommt der erste Geburtstagsgast. Die Wehen plätschern so dahin. Mal kommt eine,
dann wieder Stunden lang keine. Ich merke aber, dass ich unrund werde. Vor allem, da man mich
ständig fragt, ob heute noch ein Kind kommt. „NEIN!“, bestimme ich immer und immer wieder. Und
jetzt hört auf zu fragen. Es wird Nachmittag. Wir gehen spazieren. Mit den Kindern auf den Spielplatz.
Ich häng etwas rum und denke an gar nichts. Das ist sehr schön und ich könnte ewig so sitzen
bleiben. Es fängt aber an zu regnen und unsere Truppe packt sich zusammen für den Nachhauseweg.
Um 18:00 Uhr sind dann nur noch Oma und Opa, deine Godi und Papa übrig. Wir sitzen zusammen,
spielen mit den Buben und ich… ich schnaufe Wehe um Wehe weg. Oma erklärt mir gerade, dass sie
das Handy zwar lautlos hat, aber auf vibrieren stellen wird und dass sie einen Anruf sicher hört. Okay,
danke Mama. Sind trotzdem nur Übungswehen. Um 19:00 Uhr sind auch diese Gäste dann
aufbruchbereit und die Kinder gehen schlafen. Ich sehe Papa an, dass er sehr müde ist. Also bitte ich
ihn nur noch, mir den Pezzi-Ball aufzublasen, dann könne er sich niederlegen. „Um diese Uhrzeit?“,
äußert er seine Bedenken bezüglich der Lautstärke des Kompressors. Ja mein Schatz, deine Frau hat
gesprochen.
Er ist eine viertel Stunde weg. Diese Zeit verbringe ich zur Hälfte wehend vorm Geschirrspüler. Der
will noch ausgeräumt werden. Die andere Hälfte versuche ich mich am Klo. Kommt nix außer
Zeichnungsblutung.
Eine Dusche! Tut mir sehr gut. Die Wehen gehen allerdings nicht weg. Am Pezzi-Ball ist es für mich
ganz gemütlich. Ich spiele ein wenig mit dem Handy rum, lade mir eine Wehen-App herunter. Was
sein muss, muss sein. Ich kreisle im Spielzimmer der Jungs herum. Es ist still. Ich genieße die Ruhe.
Um 20:00 Uhr ruft schließlich Ni, die Hebamme, an. Sie will wissen, wie es mir geht und ob sie mit
ihrer Tochter wach bleiben kann oder sie sich besser ins Bett legen soll. Ich bin im Zwiespalt. Bei D.
hatte ich drei Fehlalarme, ging weit über Termin. Ich kann nicht glauben, dass die Geburt tatsächlich
gestartet haben soll. Daher hätte ich ihr gerne den Abend mit ihrer Tochter gegönnt. Andererseits
hatte ich den Eindruck, dass eine ausgeschlafene Hebamme nicht zu meinem Schaden sein könnte. Ni
telefoniert extra lang mit mir. Sie will hören, wie sich die Wehen für mich anfühlen. Aber am Telefon
kann ich nicht so tönen. Das merkt auch Ni und wir beenden ohne spezielle Absprache das Telefonat.
Nun bin ich wieder mit mir alleine. Der Ball ist nix mehr für mich. Ich gehe runter ins Wohnzimmer
und spaziere etwas auf und ab, surfe kurz im Internet. Die Wehen-App bringt es nicht. Ständig
signalisiert sie mir, dass die Geburt begonnen hat. Aber – das kann unmöglich sein! Ich bin weder
über Termin, noch sind die Wehen stark, noch fühle ich mich, als würde ich heute ein Kind gebären.
Immer wieder hänge ich mich an dem Gedanken auf, dass ich bei D. drei Fehlalarme hatte und mit dir
ja noch nicht mal den erratenen Geburtstermin überschritten habe…
Ich brauche etwas Berieselung und schalte mir den TV ein. Wetten, dass… Tja, wetten, dass heute
kein Baby kommt und das wieder nur ein Fehlalarm ist? Wetten, dass ich bald einschlafen werde, um
ohne Wehen und ohne Kind wieder aufzuwachen?
Im Liegen sind die Wehen grauslich. Bei jeder Wehe springe ich also auf in den Vierfüßler. Eine
Stunde plätschert das Geschehen wieder vor sich hin. Um 22:00 Uhr schreibt mir Ni, dass sie gerne
bei mir schläft, wenn ich mich dadurch sicherer fühle. Bei mir schlafen? Ich rufe sie zurück und sage
ihr, dass ich mich sicher genug fühle, ich aber enorm genervt bin von diesen Übungswehen. Ni
empfiehlt mir einen Schluck Likör – damit ich abschalten kann und zur Ruhe komme, um eventuell
sogar in den Schlaf zu finden. Ich bin skeptisch, weil ich Alkohol in der Schwangerschaft nicht
anrühre. Schließlich aber siegen die Müdigkeit und die Entnervtheit. Ich schalte den TV ab und gehe
in den Keller. Likör muss ich nämlich erst suchen. Hab ja keine Ahnung, ob überhaupt welcher da ist.
Gerade will ich das Licht zum Vorratsraum aufschalten, als eine Birne fliegt und mit ihr die Sicherung.
Ich brummle ein paar Schimpfwörter vor mir her, drehe um und gehe hoch.
Jetzt will ich nur noch ins Bett.
Immer noch sind die Wehen im Liegen grausam. Aber, wie gesagt, ich bin nur noch genervt und hieve
mich somit auch nicht mehr hoch zum Veratmen. Ich krümme mich im Bett und bemitleide mich
selbst.
Es ist 23:00 Uhr als ich nicht mehr mag und ins Bad gehe. Vielleicht hilft es ja, wenn ich mich in
warmem Wasser suhle. Also lasse ich mir eine Wanne voll ein. Ich will hineinsteigen und merke aber,
wie sich die Wehen nun verändern. Sie werden intensiver. Ich überlege nicht lange und wecke Papa.
„Schatzi, ich will dich bei mir haben. Bitte komm.“
Schatzi springt natürlich auch sofort auf und während ich mich in die Wanne begebe, realisiert er
erstmals auf dem Klodeckel, wo er sich befindet. Ich denke noch: „Toll, ich hab einen Zombie als
Geburtshelfer“, als er etwas aktiver wird. Er beginnt, die Wehen mitzustoppen, ganz ohne Wehen-
App. Er sieht mich dabei prüfend an und ich lasse es gern mit mir geschehen. Soll er mir sagen, ob es
ein Fehleralarm ist oder nicht.
Nach einer viertel Stunde reicht er mir das Handtuch und das Handy. „Ruf die Hebamme an“, sagt er
in bitterernstem Ton. Aber immer noch scheue ich mich davor. Ich will sie einfach nicht umsonst hier
her bestellen. Also bitte ich um Aufschub. Ich erzähle ihm stattdessen dass die Sicherung im Keller
geflogen ist, weil ich Alkohol trinken wollte. Da wird er stutzig und lacht, dass ja dann bald die
Gefriertruhe abgetaut ist.
Ich Schaf! An so was denke ich natürlich wieder nicht.
Papa-Held aber schon und deshalb rettet er unsere Vorräte, indem er einfach den Sicherungsschalter
wieder umlegt. In der Zwischenzeit erinnere ich mich wieder daran, dass ich um Anruf-Aufschub
gebeten habe.
Und dann ist es mir plötzlich klar.
Um 23:30 Uhr weiß ich, dass du auf die Welt kommen würdest.
Also rufe ich Ni an. Sie hebt nach dem zweiten Klingeln ab und klingt recht munter. War sie nicht, sie
hatte tief und fest geschlafen. Macht aber nix, sie kommt natürlich gerne, vor allem, nachdem sie
hört, wie ich schon mit den Wehen umgehe. Denn dass ich ins Telefon töne lässt sich nun nicht mehr
vermeiden. Papa massiert mir das Kreuzbein.
Bis D. wach wird…
Papa flitzt zu ihm ins Schlafzimmer. Aber hey, das geht doch gar nicht! Er muss mich doch weiter
massieren. Also rufe ich Oma an. Puh, die ist aber schnell. Um 23:50 Uhr steht sie bereits bei mir im
Bad und übernimmt die Aufgabe von Papa. Sie massiert mir das Kreuzbein, hält mir die Hand und
streicht mir über die Stirn. Sie bringt mir etwas zu trinken und sieht mich immer wieder prüfend an.
Aber in ihrem Blick liegt nicht das, wovor sie am meisten Angst hatte – nämlich dass sie es nicht
ertragen konnte, ihre Tochter leiden zu sehen. Ihr Blick sagt mir, dass sie weiß, dass es so richtig ist.
Dass es so gut ist.
Wir verbringen einige Zeit zusammen. Bis ich wieder lieber Papa bei mir habe. Also bitte ich Oma,
dass sie nun zu D. schauen möchte. Papa ist Wahnsinn. Er trifft immer die richtige Stelle mit dem
richtigen Druck. Mit ihm sind die Wehen nicht mehr sooo schlimm. Ich wusle in der Badewanne
herum. In den Wehenpausen lege ich mich ins Wasser. Ansonsten bin ich aufrecht, hocke, knie.
Um 00:15 Uhr sind die Wehen sehr, sehr stark. So stark, dass ich schon ziemlich laut bin. Oma ist mit
D. im Spielzimmer, also nur eine Tür weiter. Aber D. interessiert sich nicht für mich. Er findet es toll,
dass Oma mit ihm spielt.
Ich finde es auch toll, obwohl ich von all dem nur am Rande etwas mitbekomme. Gerade, als ich mir
Ni herbeiwünsche, höre ich ein Klock. Ein Koffer wird auf der Stiege abgestellt und ich weiß, dass es
der Koffer meiner Hebamme ist. Trotzdem frage ich mit zitternder Stimme nach: „Ist es Ni?“ Es ist
0:20 Uhr. Da kommt sie auch schon ins Bad herein, strahlt und lacht und begrüßt mich mit ihrer
fröhlichen Art. Ich bin in diesem Moment sehr erleichtert, sie zu sehen, denn nun habe ich ein
zusätzliches Gefühl der Geborgenheit. Nicht Sicherheit, denn sicher fühle ich mich in jedem Moment.
Aber meine Ni bringt eben dieses Mütterliche mit, dieses Erfahrene, das jede Gebärende früher oder
später braucht.
„Bitte untersuch mich“, flehe ich. Denn ich will jetzt wissen, was Sache ist. Ni will erst abwimmeln, sie
braucht die Untersuchung nicht. Als ich aber erneut darauf bestehe, zieht sie sich den Handschuh
über. „Aber wenn es unter 5 cm sind, sag es mir nicht“, stelle ich die nächste Forderung. Ni lacht. Ich
gehe in die Hocke und sie tastet ganz sanft. Ich spüre, wie sie etwas am Muttermund zupft. Sie
kommentiert, dass sie ihm tatsächlich den richtigen Weg weisen muss. Mir egal, tut ja nicht weh.
Dann kommt eine Wehe und das Wegweisen tut doch weh. Ich will sie vertreiben, aber Ni bleibt
dran. Als die Wehe fertig ist, ist sie auch zufrieden, zieht sich den Handschuh aus und geht über, sich
über ihre Massageöle herzumachen. Ich muss nachfragen, wie weit ich bin und erfahre: 6 cm.
Wir haben also schon über die Hälfte geschafft. High Five, kleines Üby!
Ni massiert mir nun ihr Lavendelöl aufs Kreuz. Hatte ich schon Papa gelobt – Nis Hingabe tut noch
einmal besser. Sie hat Zauberhände. Wundervolle Zauberhände. Leider können auch sie nichts gegen
die Urgewalt der Wehen tun.
Jetzt wird es heftig. Ich halte die Wehen nur noch im Stehen aus. Die Badewanne will ich aber aus
praktischen Gründen nicht verlassen. Denn immer noch ist die Fruchtblase intakt und ich rechne
damit, dass sie in den nächsten Wehen platzen wird, weshalb es mir lieber ist, sie tut dies über einem
Abfluss.
Ich stehe also in der Wanne und beuge mich bei jeder Wehe über den Rand, werfe mich meiner
wunderbaren Hebamme in die Arme. Ich hänge mich richtig an sie. Sie bietet mir Halt und während
sich mein Muttermund kräftig öffnet, massiert sie mir weiter das Kreuz. Aus dem Tönen wird ein
Röhren. Aus dem „Uuuuh“ wird ein „Aaaaah“ und schließlich ein „Auaaaaa“. Ni ist wunderbar. Sie
ermutigt mich. Sie lobt mich.
„Super machst du das! Lass es ruhig raus dein Kind. Hab keine Angst. Lass es los, lass es raus.“
Die Pausen sind nur noch sehr kurz. Deshalb bleibe ich einfach stehen. Ich schließe dann die Augen
und stehe nackt in der Wanne. Wenn ich heute daran denke, muss das sicherlich kein alltäglicher
Anblick gewesen sein.
Warme Flüssigkeit läuft mir über die Beine. Ni übergibt mich an Papa, weil sie den Zeitpunkt des
Platzens der Fruchtblase notieren will. Ich hänge mich an Papa, aber seiner Brust fehlt ein
entscheidender Teil, weshalb es mit ihm lang nicht so angenehm ist. „Es war nicht die Fruchtblase“,
sage ich also gereizter, als ich eigentlich wollte. Ich spüre nämlich genau, dass es Urin ist, das sich da
ergießt. Also legt Ni ihr Schreibzeug nieder und kommt zu mir zurück. Ein Glück!
Es wird nämlich ernster. Dein Kopf drückt im Stehen so sehr auf der Muttermund, dass dem einfach
nichts anderes übrig bleibt, als sich im rasenden Tempo zu öffnen. Und das wiederum bereitet mir
heftigste Schmerzen. Ich schreie. Und ich fluche. Die Wehenpausen sind quasi nicht mehr vorhanden.
Plötzlich spüre ich, wie nun wirklich die Fruchtblase platzt. Für kurze Zeit wird der Druck weniger, nur
um dann tausendfach zurückzukommen. So ist zumindest mein Eindruck.
Als wenn ich eine Kaugummiblase im Mund platzen würde, fühlt sich der eine, erleichternde Moment
an. Es ist 0:53 Uhr.
Zwei Wehen kommen im Stehen. Dann gebe ich „mein“ Zeichen. „Ich mag nicht mehr. Bitte, bitte,
mach dass es aufhört. Bitte, bitte, bitte!“, flehe ich. Außerdem bettle ich darum, morgen weiter
machen zu können. Oder wenn das nicht geht, dann wenigstens eine PDA zu bekommen. Zum
Schluss will ich nochmal eine Verschiebung der Geburt um ein paar Stunden raushandeln. Aber nix
da, es ist so weit.
Der Instinkt hat mich jetzt komplett in der Hand.
Ich wusle in der Badewanne herum, denn im Stehen fühle ich mich nicht mehr wohl. Erst knie ich
mich hin und ertrage so eine Wehe. Aber dann fühlt sich diese Position völlig falsch an. Ich schnell in
die Höhe. Wie bei einem Katapult befördern mich meine Beine hoch. Ich drehe mich um 180°, schaue
nun zur weißen Badezimmerwand (der Rücken zeigt zum Stöpsel). Dann gehe ich wieder nieder. In
diesem Moment überkommt sie mich, die Wehe. Ich merke, ich habe nun keine Zeit mehr, eine
„richtige“ Position zu finden. Ich spüre, dass es nur wichtig ist, so nah wie möglich mein Becken zum
Boden zu bringen. Also gehe ich erst in Richtung Hocke, überlege es mir aber in der letzten Sekunde
anders und lasse meinen Oberkörper nach hinten fallen…
Es hätte gefährlich sein können. Ich hätte mir weh tun können.
Aber kaum, dass ich nach hinten kippe, spüre ich Papas Arme, die unter meine Achseln fahren. Er hat
mich einfach aufgefangen. Ich kralle meine Hände in die seinen und weil die Wehe schon da ist,
strecke ich mein Becken in die Höhe. Ich spüre den Pressdrang und gebe ihm nach. Und wirklich: Da
spüre ich auch schon deinen Kopf der durch den Geburtskanal rauscht. Während der Wehe senke ich
mein Becken. Ich will dich ja nicht in die Luft schießen, sondern ins Wasser gleiten lassen. Wobei das
mit dem „gleiten lassen“ eigentlich viel zu weich ist für die Intensität des Pressens.
Am liebsten wäre mir nämlich ich könnte dich wirklich rausschießen. Deshalb tu ich das auch einfach.
Bis… Mir Ni ihre Hand in die Scheide schiebt und deinen Kopf somit zurück.
Ich verfluche sie, denn was das soll, kann ich nicht verstehen. „Damm!“, erinnerte mich Ni nur kurz.
Damm? Welchen Damm? Ich mag keinen Damm haben, sondern mein Baby. Aber vor allem mag ich
keine Wehen mehr haben. Also presse ich weiter. Ich kann gar nicht anders. Die Wehe ist zwar längst
vorbei, aber der Pressdrang lässt sich einfach nicht kontrollieren, zügeln oder gar veratmen. Es geht
nicht. Mein Körper will dich JETZT gebären. Also kämpft er gegen die Hebammenhand an, drückte
dich ihr entgegen und zum Glück folgt nun die letzte, entscheidende Wehe. Ni zieht ihre Hand zurück
und mit einem einzigen, urgewaltigen Schrei schiebe ich dich ins Wasser. Dein Kopf hat mir den
Damm zerfetzt. Das habe sogar ich gehört. Aber ich höre nicht auf zu drücken, gebe dir eine
hundertstel Sekunde, dich zu drehen und richtig einzustellen, ehe ich deine Schultern
hinausbefördere. Und dann flutscht du ins Badewasser.
Es ist Sonntag, der 6. April 2014, 0:59 Uhr.
Ich habe deinen Körper als weißgraue Masse in Erinnerung. Ich sehe, wie Nis Hand dich sofort in
Empfang nimmt. Ihre zweite Hand befreit dich von der Nabelschnur, die ein Mal um den Hals
gewickelt war.
Ich schnaufe durch und sinke erstmal erschöpft in Papas Arme zurück. Ich höre ihn begeistert rufen:
„A Bua!“ Hurra! Ich bin sehr froh und feiere mich selbst, denn endlich hat mich mein Gefühl nicht
getäus… „Ah na, a Madl“, verbessert er sich etwas kleinlaut und schon spüre ich deinen winzigen
Körper auf mir. Ni hat dich mir sachte in die Arme gelegt und nun wage auch ich einen Blick.
Tatsächlich.
Ein Mäderl!
Ich bin überwältigt. Ein kleines, fertig gebackenes Mädchen liegt in meinen Armen. „Anna“,
schluchze ich und küsse dich auf die Stirn. Ich drücke dich an mich, während Ni dir ein Handtuch
drüber legt. „Sie ist so winzig“, stelle ich flüsternd fest.
„Nein, nein, sie ist groß, wirst sehen“, behauptet meine Hebamme. Aber ich beharre drauf: „So
winzig!“
Du bist wirklich winzig. Immerhin habe ich nur den Vergleich zu seinen großen Brüdern. Und nun
halte ich so ein frischgeborenes, wunderhübsches Mädchen in den Armen. Nach deinem ersten
Schrei öffnest du die Augen und schaust mich an. Du bist so umwerfend. Wieder küsse ich dich.
Dann fällt mir etwas ein. „Sie ist daaa!“, schreie ich. Aber das hat Oma natürlich schon gehört und
sich bereits mit D. ins Bad geschlichen. Der schaut erstmal nur. Wir beschließen, F. nun auch zu
wecken. Er braucht zwei Anläufe, bis er so weit ist, dich zu bestaunen. Und dann stehen sie alle um
uns beide herum: Ni, Oma, D., F. und Papa. Niemand sagt ein Wort, außer mir, denn ich kann nicht
aufhören, ständig zu wiederholen, dass wir nun ein Mädchen haben.
Wir hören dir beim Quaken zu, sehen dich an. Keine Käseschmiere hast du mehr. Deine Nägel sind
hart und lang. Im Gegensatz zu deinen Brüdern interessieren dich meine Brüste nicht. Auch du hast
etwas zu sagen, denn rausgeschossen zu werden ist ja nicht gerade ein Vergnügen.
So vergehen die ersten Minuten deines Lebens in stiller Ehrfurcht (und Blitzlicht, denn deine Oma
hatte von mir zusätzlich die Aufgabe bekommen, sofort Fotos zu machen). Ich bin noch völlig
gefangen genommen darin, mich zu wundern, dass du keinen Penis hast, dass ich es erst gar nicht
registrierte, als mir Oma das Handy ans Ohr hält. Erst als ich die verschlafene Stimme deiner Godi
hörte, wird mir bewusst, welche Aufgabe mir zu Teil wird. Aber du kommst mir zuvor und hast dich
durch dein Schreien selbst angekündigt. Ich brauche Godi dann nur noch zu sagen, dass du wirklich
und tatsächlich ein Mädel bist.
Deine Nabelschnur ist recht schnell auspulsiert. Ich höchstpersönlich darf sie durchschneiden und
brauche dazu einige Versuche. Schließlich aber habe ich dich von mir getrennt. Ni packt dich in
frische Handtücher und gibt dich Papa und deinen Brüdern mit. Sie sollen ins Bett vorgehen, denn sie
und ich müssen uns ja noch um die Plazenta kümmern.
Ich atme durch und versuche immer noch, zu fassen, was gerade passiert war. Aber es gelingt mir
nicht. Du kleines Üby du, du Überraschungsbaby. Ich hätte nicht damit gerechnet, dich empfangen zu
dürfen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass du vor dem ominösen Termin kommst. Und schon gar
nicht hätte ich damit gerechnet, dass du ein Mädchen wirst. Bis all dies endlich auch in meinem
Gefühl durchgekommen war, dauerte es übrigens drei Tage. Erst, als die Milch kam, wurde es mir im
Inneren bewusst.
Es dauert, bis die Plazenta endlich kommt. Nachdem dieser letzte Teil der Geburt geschafft ist,
wasche ich mich mit Nis Hilfe grob ab. Dann packt sie mich sorgfältig in riesige Wochenbettvorlagen
und sexy Netzhoserl und entlässt mich zu euch vieren ins Bett. Ich nehme dich an mich und zum
ersten Mal in deinem Leben nuckelst du an meiner Brust. Ich streichle und küsse dich und stelle dich
noch einmal deinen Brüdern vor. Währenddessen überprüft Ni die Vollständigkeit der Plazenta. Alles
ok. Sie schneidet ein kleines Stückchen runter und gibt es in ein Glas Wasser. Denn ich will ja
unbedingt selbst die Wirkung der Plazenta erproben. Dann räumt sie auf, putzt die Badewanne. Oma,
die uns diesen Moment alleine vergönnt, leistet ihr Gesellschaft.
„Sie ist so wunderschön“, flüstere ich immer wieder. Dein Papa kann mir nur jedes Mal beipflichten.
Nach diesen ersten Minuten des Kuschelns, gibt es eine Runde Sekt für alle. Wir stoßen an, auf diese
gelungene Geburt, deine glückliche Zukunft, auf uns alle. Wir lassen uns hochleben. Ja, ich gebe es
zu, ich habe mein halbes (!) Glas ziemlich gierig auf einen Zug geleert.
Du hast dich nun fürs Erste gestärkt und lässt meine Brustwarze los. Ni nützt die Chance, um dich zu
vermessen. Deine Brüder schauen dabei interessiert zu. Gemeinsam kommen wir also auf deine
Maße.
Kopfumfang: 34,5 cm
Länge: 52 cm
Gewicht: 3100 g
Damit sind wir alle sehr zufrieden. Dein Nabelschnurrest bekommt noch ein hübsches Bändchen und
du eine Windel. Dann darfst du wieder zu mir. Ich nehme dich in meine Arme und schon sucht dein
Mund wieder meine Brustwarze.
Es wird Zeit, zu überprüfen, was da wirklich los ist mit meinem Damm. Ein Riss 2. Grades, meint die
Hebamme. Allerdings ist nur die Haut gerissen, nicht der Muskel. Ob ich ihn nähen lassen will? Auf
gar keinen Fall will ich das! Morgen vielleicht. Aber Ni sagt, dass sie „morgen“ ganz sicher nichts
mehr näht. Also beschließe ich, dass ich auch morgen nicht genäht werden will. Und das war eine der
besten Entscheidungen diese Geburt betreffend, denn eine Naht hätte mir weh getan – dieser Riss
aber verheilte völlig schmerz- und komplikationslos.
Ich bin müde und erschöpft und wünsche mir eigentlich nun meine Ruhe. Ni geht aber nur ungerne,
da sie einfach gerne zwei Stunden abwartet, ehe sie wieder nach einer Geburt davonrauscht und die
junge Familie sich selbst überlässt. Aber sie zieht sich zurück. Dies ist auch für die Buben besser, die,
ganz aufgekratzt, natürlich nicht so schnell zurück in den Schlaf finden. Und da es auch mir noch nicht
gelingen mag, setze ich die „Sie ist da“-SMS auf und verschicke sie an die ersten Kontakte.
Schließlich verabschieden sich Oma und Ni. Und unsere erste Nacht zu fünft beginne ich mit einem
letzten Blick auf dein zerknautschtes Gesicht.
Du und ich waren ziemlich lange nackt. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, dich in Gewand zu
hüllen. Wir verbrachten die Tage ohnehin nur im Bett. So durftest du die ersten 40 Stunden deines
Lebens intensiv mit mir bonden, ohne störende Kleidung.
Wann immer Ni kam, spendete sie mir wohltuende Massagen. Sie hatte ein offenes Ohr für mich,
meinen und Papas Wochenbettblues (ja! Ihn hat es auch getroffen ;)) nahm sie sich tröstend an. Sie
zeigte sich recht mitleidig, als mir meine Brustwarze quasi davonlief und war während meiner
Brustentzündung sogar bereit gewesen, mitten in der Nacht zu mir zu kommen, um mir die Brust
abzupumpen. Sie ist ein Engel und mit Leib und Seele Hebamme. Oma ist von ihr sehr begeistert und
hat nicht nur einmal gesagt, dass sie Ni gerne weiter begleiten würde, denn Kinder sollten „nur so auf
die Welt kommen“.
Meine liebe Anna. Du wirst bald vier Wochen alt. Du hast mich überrumpelt, in jeder Hinsicht. Aber
nie hätte ich es anders haben wollen. Danke für deine Entscheidung, an einem Sonntag, am 6. April
geboren zu werden. Es war perfekt in jeder Hinsicht.
Sonntag, 4. Mai 2014
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